Vor einiger Zeit habe ich nun hier in meinem Blog die Kategorie „ex libris“ eröffnet.
Und seitdem grüble ich, welches meiner vielen (Lieblings)Bücher ich hier zuerst vorstellen soll. Überhaupt – ich will hier kein(e) Reich-Ranicki, Karasek oder Heidenreich werden, es geht einfach um Bücher, die mir gut gefallen.
Dann kommt das zweite Problem: Was schreib‘ ich über das Buch meiner Wahl? Dass es mir einfach so gut gefallen hat? Dass es so ein schönes Titelbild hat? Dass der Klappentext wirklich anrührend ist? Alles Klimbim.
Ich habe in den letzten Wochen viel gelesen – gottseidank, es klappt wieder mit meiner Konzentration, und meine Augen machen auch wieder mit. Die meisten Bücher waren Thriller oder Krimis, etwas für die Spannung eher, weniger literarischer Hochgenuss (…wobei es ja durchaus auch AutorInnen gibt, die beides zu verbinden wissen). Von manchen weiß ich nichts mehr, andere sind mir gut im Gedächtnis geblieben. Für den Anfang habe ich zwei Bücher ausgewählt:
„Mehr als nur ein halbes Leben“ von Lisa Genova und
„Die Grube“ von Ingrid Bachér.
In „Mehr als nur ein halbes Leben“ ist Sarah die Protagonistin, eine Karrierefrau mit smartem Ehemann, Haus, Hund und drei Kindern: Lucy, Charlie und der kleine Linus. Erfolgreich, immer auf Zack und immer in Zeitnot. Bis zu dem Tag, an dem sie mit voller Geschwindigkeit auf der Landstraße in ein Stauende rast…
Okay, jetzt erwartet ihr bestimmt, dass es tragisch-kitschig-melodramatisch weitergeht – so à la: „Dann war nichts mehr wie zuvor…“
Nun gut, so ist es eigentlich auch: Sarah erwacht im Krankenhausbett, geblendet vom weißen Neonlicht und mit einem Schlauch im Mund. Acht Tage nach dem Autounfall. Das ist auf Seite 81. Sie weiß wie sie heißt, wo sie wohnt, wie alt sie ist und dass sie drei Kinder und einen netten Ehemann hat. Doch ziemlich bald merkt sie auch, dass etwas ganz und gar nicht stimmt:irgendwie scheint es von allem keine linke Seite mehr zu geben. Kein Messer links neben dem Teller. Keine Schokosoße links auf dem Dessert. Keine linke Hand, kein linkes Bein.
Sicher könnt ihr euch vorstellen, mit welchen Problemen sich Sarah in der folgenden Zeit konfrontiert sieht. Das will ich hier auch gar nicht alles verraten… gesagt sei nur: Sie kämpft sich mit Ausdauer und Mut zurück ins Leben. In ein Leben, das komplett anders ist als das, das sie zuvor geführt hat.
Einfühlsam, mit viel Humor und wenig pathetisch und ohne den typisch amerikanischen „Zuckerguss“ beschreibt Lisa Genova Sarahs Weg. Trotz vieler Rückschläge und Enttäuschungen lässt sie sich nicht beirren. Sie trauert nicht um das, was sie nicht mehr kann – statt dessen entdeckt sie neue, ungeahte Möglichkeiten, die in ihr stecken.
Genau das ist es, was mich an diesem Buch berührt hat: Da bekommt ein Mensch echt eine volle Ladung auf den Deckel – aber anstatt sich zu verkriechen und sich zu bemitleiden geht er offensiv und kreativ mit den Gegebenheiten um. Entdeckt und fordert sein Potenzial. Lernt, dass Leben auch anders gehen kann – langsamer, bewusster, stiller vielleicht, manchmal eben auch unfreiwillig langsamer. Aber immer mit „mehr“, das auf den ersten Blick vielleicht gar nicht zu erkennen ist.